Wer bei der Einführung neuer Produkte oder Modellvarianten industrielle Montageprozesse einführen oder ändern muss, steckt oft in einem Dilemma:
Wird der Prozess sicher funktionieren? Ist die Dokumentation hinreichend gewährleistet und kann ich mich gegen Regressansprüche absichern? Genügen meine personellen Ressourcen für eine termingerechte Umsetzung?
Unser Expert-Hub-Interview mit Klaus Barz beantwortet drängende Fragen. In Ergänzung zum Beitrag über die Schraubtechnikplanung (Lesen Sie dazu das Experten-Gespräch mit Matthias Schildhauer hier) stellt der Spezialist für Produktionsoptimierung Optionen von Atlas Copco für die Praxis vor. So gelingt die Übereinstimmung mit den geltenden Normen und Richtlinien und Sie können in Ihren Projekten nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zeitgerecht, budgetgerecht und wirtschaftlich in die Fertigung starten.
Expert Hub: „Herr Barz, Sie bieten Projektmanagement als Dienstleistung an. Was kann man sich hierunter vorstellen?“
Klaus Barz: „Bevor ein Produkt gefertigt werden kann, gibt es viel Planungs- und Vorbereitungsarbeit zu leisten. Ob Handy, elektrische Zahnbürste, Wohnmobil oder Windkraftanlage: Überall stecken Schrauben drin. Atlas Copco ist seit Jahrzehnten marktführend in der Schraubtechnik aktiv und stellt Interessierten seine gesamte Expertise rund um die Schraubmontage auch in Form von Dienstleistungen zur Verfügung. Eine professionelle Schraubtechnikplanung unterstützt industrielle Anwender, Schraubverbindungen vom Papier bzw. aus einem CAD-File zur prozesssicheren, prozessreifen und ergonomisch richtigen Serienproduktion zu bringen. Und unsere Projektmanagement-Dienstleistungen gewährleisten, dass das phasengerecht, termingerecht und budgetgerecht geschieht.“
Expert Hub: „Bildhaft gesprochen bedeutet dies, dass Schraubtechnikplanung und Projektmanagement zwei Seiten derselben Dienstleistungs-Medaille sind?“
Klaus Barz: „Nicht zwingend. Aber wir werden immer öfter von Kunden als Dienstleister für das Projektmanagement angefragt, mit denen wir bereits in Sachen Schraubtechnikplanung zusammenarbeiten. Inhaltlich baut das eine auf dem anderen auf, es ergänzt sich. Und da wir diese beiden Dienstleistungen aus einer Hand anbieten können, gewährleistet das Kontinuität in einem Projekt, was überdies Zeit und Ressourcen spart.“
Expert Hub: „Also arbeiten diese Abteilungen eng miteinander zusammen?“
Klaus Barz: „Ja, unbedingt, genauso eng, wie natürlich auch mit dem Kunden. Durch die vielen Überschneidungen der Bereiche Projektmanagement und Schraubtechnikplanung verfolgen wir als strategischer Partner unserer Auftraggeber das Ziel, alle Synergiepotentiale dieser eng verzahnten Themenfelder auszuschöpfen. Das verstehen wir unter einer ganzheitlichen Umsetzung industrieller Montageprozesse, über alle Projektphasen hinweg.“
Expert Hub: „Was meinen Sie mit den Projektphasen und den Überschneidungen?“
Klaus Barz: „Damit deute ich die vielen Gemeinsamkeiten dieser beiden Consulting-Bereiche an, die wir jeweils in fünf Abschnitte unterteilen können. Beim Projektmanagement sind das die aufeinander aufbauenden Abschnitte der Konzeptphase (Phase 1), der Termin- und Ressourcenplanung (Phase 2), über die Umsetzungsphase (3) und die Übergabe und Optimierung (4) bis zum Projektabschluss. Vielfach geht es hier um Aufgaben und Aspekte, die auch für die Schraubtechnikplanung relevant sind, und umgekehrt. Erkenntnisse oder Maßnahmen aus der einen Projektfacette stimulieren die jeweils andere. Das ist gut für die Effizienz, sie wird hierdurch weiter verbessert.“
Expert Hub: „Wenn man so einen typischen Prozess betrachtet, wie gehen die Berater von Atlas Copco in den jeweiligen Phasen an die Arbeit?“
Klaus Barz: „Sie informieren sich umfassend, bereiten sich für den Projektstart vor und arbeiten sich im Austausch mit dem Kunden in das jeweilige Thema ein. Mit einem Kick-off-Meeting beginnt die eigentliche Konzeptphase, in der mögliche Lösungsansätze gemäß den Rahmenbedingungen erarbeitet und dokumentiert werden. Die erstellten Konzepte können von der Prozessoptimierung einer einzelnen Station über Mehrfachschraubsysteme und komplexe Schraubtechnikanlagen bis hin zur Ausstattung einer vollständigen Fertigungslinien reichen. Alle beteiligten Abteilungen bewerten und optimieren die Konzepte bis zur Freigabe durch den Auftraggeber. Am Ende der Konzeptphase steht die Erstellung eines abgestimmten Lastenheftes sowie die Anfrage möglicher Lieferanten, um das Projekt mit der Phase 2 – Termin und Ressourcenplanung – fortzusetzen.
Unsere Internetseite beschreibt unter Atlas Copco Consulting – Projektmanagement - Atlas Copco Deutschland ganz ausführlich die nachfolgend vorgestellten Projektphasen und -aktivitäten, so dass ich mich hier etwas kürzer fassen kann:
- Mit der Termin- und Ressourcenplanung beginnt die besonders wichtige, zweite Projektphase. In der geht es zunächst um die Festlegung der Arbeitsumfänge, eine Zeit-Aufwand-Abschätzung und die Kostenplanung unter Berücksichtigung des Budgets sowie die Festlegung relevanter Meilensteine. Daraus folgen Termin- und Projektstrukturpläne und unter anderem auch die Definition der Verantwortlichkeiten. Ferner das Abstimmen sinnvoller KPIs und Ziele, um im Rahmen der Berichterstattung den Fortschritt des Projektes transparent darzustellen
- In Phase 3 erfolgt die termin- und ressourcengerechte Umsetzung der erarbeiteten Konzepte über die eingeplanten Ressourcen und am Ende dieser Phase steht das fertige Produkt, dass auf dem neu gestalteten Arbeitsplatz bzw. der optimierten oder neu eingerichteten Linie gefertigt werden kann
- Phase 4 steht für die Übergabe an den Betreiber und die Vorbereitung des Projektabschlusses: Produktionsmitarbeiter und Instandhalter werden nun auf die neuen Gegebenheiten geschult und die Serienfertigung kann mit dem umgesetzten Konzept beginnen. Im Rahmen unserer Anlaufbegleitung werden die Funktionen und Prozesse im Regelbetrieb überprüft und gegebenenfalls einem Finetuning unterzogen. Diese Feinabstimmung wird ebenfalls terminiert und fließt ins Änderungsmanagement ein, bis der sichere Betrieb der Anlage gewährleistet ist.
- Nach der Übergabe- und Optimierungsphase ist der Abschluss des Projektes mit der Ausführung und Vollendung des Konzepts erreicht: Alle offenen Maßnahmen aus den vorherigen Phasen sind abgearbeitet und der Kunde erhält die vollständige Projektdokumentation. Mit der Abnahme der neuen Fertigungsanlage nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und einem gemeinsamen Projekt-Review wird das Projekt abgeschlossen.“
Expert Hub: „Danke für den umfangreichen Überblick. Das klingt sehr strukturiert. Wenn aber Ihre Kunden individuell andere Schwerpunkte setzen oder es variierende Vorgaben gibt, müssen Sie dann nicht von diesen klaren Strukturen ablassen?“
Klaus Barz: „Es mag vielleicht altmodisch klingen, aber erfolgreiches Projektmanagement lebt von eiserner Disziplin. Unsere Beraterinnen und Berater haben für die jeweiligen Projektphasen einen „flexiblen roten Faden“. Der lässt Spielräume und Abweichungen zu einem gewissen Grad zu und erlaubt die erforderlichen Anpassungen, wenn sich bei den Prämissen unserer Auftraggeber Änderungen ergeben sollten. Aber das Grundprinzip bleibt, konsequent bis zur fertigen Projektfreigabe am Ball zu bleiben. Unsere Leute gehen erst, wenn jeder Schrauber läuft, der Kunde zufrieden ist und alle Spezifikationen erfüllt sind.
Einzelne Umfänge können dabei sehr unterschiedlich sein, das steht außer Frage, denn die Bandbreite ist weit. So ist beim Verschrauben vom händischen Anziehen bis zum robotergestützten Mehrfach-Spindelsystem jede Variante denkbar ...“
Expert Hub: „Bitte entschuldigen Sie, dass ich hier einhake, aber das ist doch nicht Sache des Projektmanagements?“
Klaus Barz: „Eben doch. Hier liegt eine der vorhin erwähnten Überschneidungen. Unsere Berater*innen arbeiten bei den Planungsdienstleistungen Hand in Hand. Die Schraubtechnikplanung und das Projektmanagement haben die geltenden Normen und Richtlinien im Blick und wir zeigen den Kunden die nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik möglichen Optionen auf, die wir zudem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten.
Es gibt große Kunden, die zwar ein eigenes Projektmanagement betreiben, uns aber als externe Unterstützung hinzuziehen, und es gibt Firmen, die keine eigenen Ressourcen hierfür vorhalten. Dort kann unser Anteil an einem Projekt entsprechend größer ausfallen.“
Expert Hub: „Drohen da nicht manchmal Meinungskollisionen, oder gar Streit über unterschiedliche Auffassungen, beispielsweise wenn es beim Kunden bereits ein Projektmanagement gibt?“
Klaus Barz: „Streitigkeiten habe ich noch keine erlebt, aber unterschiedliche Auffassungen liegen in der Natur der Sache. Offenheit und gute Kommunikation sind für das Consulting deshalb sehr wichtig. Schließlich haben wir die Interessen unserer Auftraggeber in einem Projekt erfolgreich zu vertreten. Das Motto „There is always a better way“ (frei übersetzt: Es gibt immer eine bessere Lösung, einen besseren Weg) aus unserem Unternehmensleitbild bei Atlas Copco ist hierbei die Messlatte: Wir hinterfragen uns immer wieder selbst und bewerten jeden Projektschritt, bevor wir den nächsten gehen. Ob Schraubtechnik, Richtlinien, Gesetzesvorgaben, Abnahmedokumente oder Regressansprüche: Durch eine sauber dokumentierte Planung und abgestimmtes Projektmanagement ist man gegen die meisten Eventualitäten gefeit und vor bösen Überraschungen sehr viel sicherer.“
Expert Hub: „Bitte gehen Sie auf die bösen Überraschungen näher ein, Herr Barz, wie könnten die aussehen?“
Klaus Barz: „Da gibt es unterschiedliche Szenarien. In dem einem Fall können die Kosten aus dem Ruder laufen. Das belastet die Wirtschaftlichkeit. Noch gravierender aber ist es, wenn in einem anderen Fall die Sicherheit eines Produkts beeinträchtigt würde und mögliche Folgeschäden drohen.
Gutes Projektmanagement hilft, Risiken zu minimieren. Prozesse werden so aufgesetzt, dass Abweichungen vom Soll und Fehler frühzeitig erkannt oder von vornherein vermieden werden. Als „Watchdog“ unserer Auftraggeber übernehmen wir Verantwortung und handeln. So sind wir jederzeit aussagefähig, dokumentationsfähig und behalten durch das Zeit-, Budget- und Kapazitäten-Management die Kosten unter Kontrolle.
Außerdem zeigt sich hier die Nähe des Projektmanagements zur Schraubtechnikplanung einmal mehr. Oft gehen sie fließend ineinander über, worauf wir uns adäquat einstellen. Unsere Consulting-Mitarbeiter*innen sind fachlich breit ausgebildet und haben die erforderlichen Kompetenzen für beide Gebiete. So kann ein Projektmanager auch die Schraubtechnikplanung übernehmen, und je nach Umfang und Größe des Vorhabens sogar beides zugleich.“
Expert Hub: „Wie sähe in einem solchen Fall Ihr Consulting-Angebot aus?“
Klaus Barz: „Der Projektmanager würde beispielsweise den Bestell- und Lieferstatus für Betriebsmittel überprüfen und verfolgen. Durch das Lieferantenmanagement sind wir das Bindeglied unserer Auftraggeber etwa zu Maschinenbauern, aber genauso auch zu Marktbegleitern, die wir ebenfalls steuern. Wenn Unterlieferanten für Schraubtechnik zum Beispiel nach Kundenvorgaben Sondersteckschlüssel, Werkzeuge oder Spezialzubehör liefern, halten wir das für unsere Kunden ebenfalls im Blick. Das Projektmanagement ist dann die Schnittstelle zwischen allen Beteiligten. Sie hält fest und nach, was wir wann wo brauchen und wir mahnen bei Verzug von Terminplänen, die wir vorgeben, deren Einhaltung an. Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass alles für ein Projekt Benötigte rechtzeitig in der richtigen Menge und Qualität verfügbar und bereit ist. Die Angebote und Bestellungen können dabei auch über die Kunden selbst laufen.
Expert Hub: „Das würde allerdings bedeuten, dass Sie sich noch umfassender und bereichsübergreifend abstimmen müssen?“
Klaus Barz: „Das ist richtig, angrenzende Gewerke und weitere Abteilungen sind dann ebenfalls einzubeziehen. Das tun wir in näherer Abstimmung mit der Gesamtprojektleitung und koordinieren dementsprechend.
Aufgrund der guten Erfahrungen, die viele Projektpartner mit uns gemacht haben, agieren wir immer öfter auch als Generalunternehmer: Damit überträgt ein Kunde uns das gesamte Projekt, und er kann sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren.“
Expert Hub: „Umfassen Ihre Consulting-Angebot lediglich neue Produktionsanlagen oder können Interessenten durch Sie auch bestehende Fertigungen modernisieren lassen?“
Klaus Barz: „Als strategischer Partner für die fertigende Industrie sind wir sehr flexibel. Wir können Interessierten sowohl für den Umbau und die Optimierung bestehender Anlagen als auch zum Neuaufbau einer Produktionsanlage ein Consulting-Angebot erstellen. Inklusive Hardware, Auf- beziehungsweise Umbau und der gesamten Koordination vor Ort, um sichere Produkte, bessere Prozesse, bedienerfreundlichere Ergonomie und geringere Kosten durch eine schnelle Amortisation zu ermöglichen.“
Expert Hub: „Herr Barz, vielen Dank für dieses Gespräch!“