Was in einer Verschraubung nach der Kopfauflage genau passiert und welche Fehler auftreten können, schildert unser Montagetechnik-Experte Michael Laue im ersten Teil unseres Expert-Hub-Beitrags zur Kopfauflageerkennung.
In dieser Fortsetzung erläutert der Schraubtechnik-Fachmann, welchen konkreten Nutzen die Anwender aus einer Verschraubung mit Kopfauflageerkennung ziehen können und für welche Montagefälle genau dieses kostensparende und Sicherheit gebende Verfahren geeignet ist.
Expert Hub: Herr Laue, Sie hatten im ersten Teil die vielfältigen Fehlermöglichkeiten bei Verschraubungen aufgezeigt. Danach eignet sich die Kopfauflageerkennung für ein breites Spektrum an Verschraubungen. Können Sie Beispiele aus Ihrer Praxis näher beschreiben, die den Nutzen für die Anwender belegen?
Michael Laue: Häufig können wir mit diesem Verfahren Kunden unterstützen, bei denen schwankende Kerndurchmesser in Kunststoff- oder Druckgussbauteilen auftreten. Das können Komponenten vom Handygehäuse über Rücklichterschalen und Automobilscheinwerfer bis hin zu Baugruppen für Beatmungsgeräte sein.
[Die Corona-Pandemie hat bei medizintechnischen Erzeugnissen wie Beatmungsausrüstungen einen enormen Bedarf ausgelöst und in Kombination mit der neuen, seit 26. Mai gültigen EU-Medizingeräterichtlinie – siehe auch unser Interview zu diesem Thema – suchten Hersteller dringend Unterstützung, um in Übereinstimmung mit den MDR-Vorgaben zu fertigen.]
Ein drehmomentgesteuertes Verschraubungsverfahren ist nicht in der Lage, die geforderte Klemmkraft annähernd gleich in die Verbindung einzubringen, weil die Kopfauflage bei unterschiedlich hohen Drehmomenten erreicht wird.
Mit der Kopfauflageerkennung können diese Einflüsse hingegen erkannt und kompensiert werden: Die Kopfauflage wird unabhängig von dem Drehmoment an dieser Stelle erkannt und die gewünschte Klemmkraft anschließend über einen definierten Drehwinkel in die Verbindung eingebracht. Auf diese Weise wird eine gleichbleibende Qualität erzeugt und der Kunde kann ein sicher montiertes Produkt anbieten. Darüber hinaus ist der Einsatz dieses Verfahrens vielmals kostengünstiger als die Minimierung der Fertigungstoleranzen bei der Herstellung von Kunststoff- und Druckgussbauteilen.
Expert Hub: Dieses vorteilhafte Verfahren bietet neben der größeren Prozesssicherheit also auch noch den Pluspunkt, Kosten zu sparen. Wie genau gelangen Sie dorthin?
Michael Laue: Um für den individuellen Schraubfall des Kunden die optimalen Einstellungen zu ermitteln, ist eine Schraubfallanalyse erforderlich. Hierbei werden verschiedene Verschraubungsversuche an den originalen und fabrikneuen Bauteilen des Kunden durchgeführt. Unser Ziel ist es, die bestmöglichen Verschraubungsparameter für den untersuchten Schraubfall zu entwickeln und die Funktionalität anhand von Verifizierungsmessungen zu bestätigen.
Zuvor verständigen wir uns mit dem Kunden auf die Zusendung von zehn originalen und fabrikneuen Bauteilen, an denen wir kontrollieren, ob die Kopfauflageerkennung für den jeweiligen Schraubfall angewendet werden kann. Bestätigt die Vorab-Untersuchung die Machbarkeit, bieten wir darauf aufbauend eine vollständige Analyse an.
Expert Hub: Sie hatten zuvor einige Produkte benannt, an denen Ihr Labor Schraubfallanalysen durchführte, um deren Montage zu optimieren. Können Sie ergänzen, für welche weiteren Erzeugnisse oder Branchen das Schraubverfahren mit Kopfauflageerkennung interessant ist?
Michael Laue: Im Grunde genommen ist das Verfahren für die gesamte Fertigungsindustrie relevant. Die Nutzer für dieses Verfahren können in den verschiedensten Branchen tätig sein. In der Vergangenheit haben wir mit Unternehmen in den Bereichen Elektrik und Elektronik, Optik, Feinmechanik, Kommunikationstechnik, Medizintechnik, Automobilindustrie sowie der Luft- und Raumfahrt und auch der Holzverarbeitung zusammengearbeitet.
Besonders häufig wird das Verfahren bislang im Kleindrehmomentbereich eingesetzt. Micro-Verschraubungen ab 1,2 Newtonzentimetern (Ncm, - das sind gerade einmal 0,012 Newtonmeter) bis hin zu 2,5 Newtonmetern (Nm) werden besonders ausgesprochen oft nachgefragt. – Diesen unteren Drehmomentbereich decken unsere MicroTorque-Schraubsysteme vollständig ab. Doch selbst höhere und hohe Drehmomente sind ebenfalls problemlos abbildbar, da auch die Steuerungen von Typ Power Focus 6000 und Power MACS Kopfauflage-Strategien mit wesentlich stärkeren Schraubern inzwischen ermöglichen.
Die Vorteile einer KA-Strategie haben sich mittlerweile auch Atlas-Copco-Kunden mit höheren Drehmomentanforderungen zunutze gemacht. Erst jüngst konnten wir Analysen mit Drehmomenten bis 1000 Nm Anzugsmoment, bei dem der Kopfauflagepunkt bei etwa 200 Nm erreicht wurde, durchführen.
Ein reales Anwendungsbeispiel aus der Praxis stellt Ihnen der abschließende Teil unserer 3-teiligen Serie über das Schraubverfahren mit Kopfauflageerkennung vor, den sie hier finden.
Laden Sie sich hier unseren Flyer "Schraubfallauslegung mit Kopfauflageerkennung" herunter: