Elektronikindustrie: Selektivlöten mit wirtschaftlicher Stickstoff-vor-Ort-Lösung
Stickstoff für Lötprozesse wirtschaftlicher vor Ort produziert
Seit 2018 produziert Huf Electronics Düsseldorf hochwertige Elektronik für die Automobilindustrie, unter anderem elektronische Bauteile für Keyless-Entry- Systeme, an seiner Produktionsstätte in Ratingen. Zu den Kernprozessen gehören diverse Lötaufgaben, bei denen Stickstoff als Inertgas eingesetzt wird. Das Gas wird von einem N2-Generator von Atlas Copco erzeugt. Die Eigenerzeugung ist wirtschaftlicher als eine klassische Tanklösung, war sehr schnell umsetzbar – und die Qualität der Komplettlösung überzeugte den Anwender.
Essen/Ratingen, September 2019. Wer sein Auto komfortabel öffnen möchte, profitiert besonders von der Entwicklung sogenannter Keyless- oder Passive-Entry- Systeme, die an immer mehr Automodellen den schnelleren Zugang zum eigenen Kraftfahrzeug erlauben. Ein Griff zur Tür genügt, damit sie sich öffnen lässt. „Dazu muss sich der Schlüssel in der Nähe des Autos befinden“, erklärt Lothar Baer, Geschäftsführer der Huf Electronics GmbH Düsseldorf. Sonst hätte ja jeder freien Zugang. „Das Geheimnis sitzt im Außentürgriff des Autos und ist ein elektronisches Bauteil, das mit dem passenden Schlüssel kommuniziert“, verrät der Ingenieur. Und zwar ausschließlich mit diesem. „Ein kapazitiver Sensor reagiert bei ‚Hand auf Griff‘ und weckt damit die Fahrzeugelektronik. Wenn der richtige Schlüsselcode in der Nähe verfügbar ist, lässt sich die Tür öffnen.“ Den Code oder Key definiere der Automobilhersteller.
10 Millionen Griffelektroniken pro Jahr
Huf Electronics entwickelt und produziert hochwertige Elektronik, die das Autofahren komfortabler machen soll. Das Produktportfolio umfasst Steuergeräte und Leiterplatten für Türen, Heckklappen, Schiebetüren, Dächer, Lenkradverriegelungen, Funkschlüssel sowie Telematikboxen. Huf gehört zu den ersten Unternehmen, die ein Passive-Entry-System entwickelt haben, bei dem die Elektronik in die Türgriffe integriert ist. „Ein Drittel unserer Produktion liefern wir an externe Kunden, primär Zulieferer der Automobilindustrie. Der Hauptteil geht an Schwestergesellschaften in der Huf-Gruppe, die weltweit zu den führenden Herstellern von Türgriffen für Automobile gehört“, sagt Baer. Allein etwa 10 Millionen Griffelektroniken wurden 2018 an den Standorten Düsseldorf und Ratingen produziert. Um die elektronischen Bauteile herzustellen, benötigt Huf Electronics unter anderem Druckluft und Stickstoff. Für deren Erzeugung ließ das Unternehmen eine Anlage mit Maschinen von Atlas Copco an seinem Standort in Ratingen erstellen. Mit der Entscheidung, den Stickstoff selbst zu produzieren, betrat das Unternehmen Neuland.
Selektivlötanlagen brauchen Stickstoff in hoher Qualität
Durch Stickstoff werden ideale Fließeigenschaften für das Selektivlöten erreicht
Der Lötbereich in der Maschine wird mit Stickstoff als Schutzgas beaufschlagt. Das Lot erhält durch den Stickstoff seine idealen Fließeigenschaften, und wir erzielen eine qualitativ einwandfreie Lötverbindung.
Stickstoff-Tanklösung hätte ein Fundament erfordert
Komplettstation stand schneller zur Verfügung und ist wirtschaftlicher
Huf Electronics entschied sich daher für die Installation einer Druckluft-Stickstoff-Station von Atlas Copco in der Ratinger Halle. Dort steht nun ein Stickstoffgenerator des Typs NGP 70+, der mit einem Kohlenstoffmolekularsieb arbeitet, durch das Sauerstoff und Stickstoff nach dem Prinzip der Druckwechseladsorption getrennt werden. Ein drehzahlgeregelter Schraubenkompressor des Typs GA 22 VSD+ FF von Atlas Copco versorgt den NGP 70+ mit der nötigen Druckluft. Beide Maschinen gehören jeweils zur höchsten Effizienzklasse in ihrer Produktrange. Der öleingespritzte Kompressor ist für hohe Leistung und Produktivität ausgelegt, benötigt wenig Stellfläche und zeichnet sich durch geringen Stromverbrauch und niedrige Betriebskosten aus. In der „Full-Feature-Version“, auf die das Kürzel FF hinweist, ist ein Kältetrockner integriert. Ein zusätzlicher Filter des Typs UD+ scheidet effektiv Öl-Aerosolpartikel, Nassstaub und Wassertropfen ab und stellt die für die N2-Erzeugung erforderliche Druckluftqualität sicher.
Atlas Copco liefert komplette Anlage aus einer Hand
„Wichtig war uns auch, dass wir eine schlüsselfertige Anlage erhalten, weil wir das nicht selbst stemmen konnten“, sagt Geschäftsführer Baer. „Wir haben mehrere Angebote eingeholt, und nur Atlas Copco war in der Lage, das komplette System aus einer Hand zu liefern.“ Für die Umsetzung der Anlage vor Ort holte Atlas Copco seinen Handelspartner Luft-Vogel Drucklufttechnik mit Sitz in Neunkirchen ins Boot, der bei der Planung und Installation unterstützte. „Wir haben über 130 Meter AIRnet-Leitungen für Stickstoff und Druckluft in der Halle installiert, die alle Maschinen im Shopfloor versorgen“, sagt Instandhaltungsleiter Stemmert. AIRnet ist ein einfach zu montierendes Rohrleitungssystem von Atlas Copco, das dicht und korrosionsfrei ist. Es ist leicht anzupassen und zu erweitern. „Insgesamt haben wir 34 Anschlüsse vorgesehen, da der Maschinenpark in den nächsten Monaten noch erweitert werden soll“, sagt Stemmert. „Für die fünf Selektivlötanlagen ist jeweils ein Stickstoffzugang vorgesehen.“ Zwei Druckluftkessel und ein Stickstoffbehälter, die Spitzen beim Produktionsanlauf abfangen, komplettieren die Anlage, die im Produktionsbereich direkt neben dem Hochregallager untergebracht ist. „Das ist ein weiterer Vorteil gegenüber einer Tanklösung, da keine größeren Entfernungen zu den Verbrauchern mit Zuleitungen überbrückt werden mussten.“ Der GA-Schraubenkompressor liefert die in der Halle benötigte Druckluft und versorgt auch den Stickstoffgenerator, und zwar mit etwas über 105 m3 Druckluft pro Stunde. Diese reichert der NGP auf etwa 19 m3 Stickstoff an. Dieser „Druckluftfaktor“ von etwa 5,6 sei im Marktumfeld extrem niedrig und damit hocheffizient, sagt Atlas Copcos Stickstoff-Experte Ronny Toepke: „Faktisch haben wir hier die energiesparendste Möglichkeit, Stickstoff zu erzeugen!“ Mit seinen Amortisationsrechnungen konnte Toepke daher auch das Huf-Team überzeugen. Der Kompressor übrigens liefert weitere 90 m3/h Luft mit einem Druck von 8 bar für pneumatische Steuerungen und Venturi-Düsen in der hochautomatisierten Produktion.
Stickstoff selbst erzeugen lohnt bei Neubau noch mehr
Im Düsseldorfer Werk liegt der Schwerpunkt auf der Verarbeitung von SMD-Komponenten mittels Reflow-Lötverfahren („SMD“ = surface-mounted device, oberflächenmontiertes Bauelement ohne Drahtanschlüsse). Bei dieser Verbindungstechnologie wird per Schablonendruck eine Lotpaste auf die Leiterplatte aufgetragen. Nach der anschließenden Bestückung der SMD-Bauteile wird die Leiterplatte in einen sogenannten Reflow-Ofen transportiert. Bei circa 217 °C schmilzt die Lotpaste auf und stellt damit die elektrische Verbindung zwischen den elektronischen Bauteilen und der Leiterplatte her. Auch dieser Prozess läuft unter Stickstoff-Atmosphäre ab; hier wird die gesamte Maschine regelrecht mit Stickstoff geflutet. „In Düsseldorf brauchen wir deshalb viel mehr Stickstoff, etwa 200 Kubikmeter pro Stunde“, sagt Baer.
Während in Düsseldorf ein Tank regelmäßig von einem Stickstoff-Lieferanten befüllt wird, sprachen in Ratingen die Kalkulationen für einen Generator. „Als wir die Investition in die Maschinen den Kosten für eine Tanklösung gegenübergestellt haben, floss auch der Aufwand für ein neues Fundament, Tank und Tankmiete samt Baugenehmigung in unsere Berechnungen mit ein“, betont Baer. „Es zeigte sich, dass sich die Atlas-Copco-Lösung in unter einem Jahr rechnen würde.“ Jetzt sei lediglich noch Redundanz ein Thema, um sämtliche Risiken auszuschließen. Seit Sommer 2018 arbeitet das Team in Ratingen aktiv in der Produktion.
Die Entscheidung für die Stickstoffeigenerzeugung habe man bisher nicht bereut. „Das Konzept wurde super umgesetzt. Unser Instandhalter, Luft Vogel und Atlas Copco haben gut zusammengearbeitet, der Preis hat gepasst, die Qualität und der Termin passten auch“, sagt Geschäftsführer Baer.
Im März 2018 hatte Huf das Angebot eingeholt, im Juni war die Anlage bereits einsatzbereit. „Wir mussten die Produktion in Ratingen sehr schnell hochfahren und haben direkt dreischichtig produziert. Da durfte nichts schiefgehen, die Stickstoffversorgung musste von Anfang an zuverlässig laufen, die geforderte Reinheit und Menge bringen. Das hat alles perfekt funktioniert“, resümiert Baer.
Als wir die Investition in die Maschinen den Kosten für eine Tanklösung gegenübergestellt haben, floss auch der Aufwand für ein neues Fundament, Tank und Tankmiete samt Baugenehmigung in unsere Berechnungen mit ein. Es zeigte sich, dass sich die Atlas-Copco-Lösung in unter einem Jahr rechnen würde.
Remote-Überwachung per Smartlink möglich
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